Enzian Calvados Retrospektive zum 100. Geburtstag
Veröffentlicht von Pit am 5. Mai 2025
Anlässlich des 100. Geburtstags von Enzian Calvados (1925–2016) widmet das Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum in Wyk auf Föhr dem außergewöhnlichen Künstler eine umfassende Sonderausstellung. Die Ausstellung „Enzian Calvados – Retrospektive zum 100. Geburtstag“ wird am 17. Mai 2025 um 16 Uhr feierlich eröffnet.
Geboren am 4. März 1925 in Danzig als Ernst Kurt Maria Boskamp, wuchs Enzian Calvados in einer traditionsreichen Pharmazeutenfamilie auf. In Danzig erlebte Enzian den Beginn des Zweiten Weltkriegs mit und seine Erlebnisse der darauffolgenden Jahre prägten ihn zutiefst. 1943 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, kämpfte in der Panzertruppe und wurde 1944 schwer verwundet, wodurch er den Rest des Krieges in einem Lazarett in Österreich verbrachte. Nach der Entlassung im letzten Kriegsjahr floh er mit seinem Bruder nach Schleswig-Holstein, wo er beim Wiederaufbau des elterlichen Unternehmens Pohl-Boskamp mitwirkte.
Nach Kriegsende holte Calvados sein Abitur nach, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und studierte anschließend Chemie, mit kurzen Abstechern in die Medizin. 1959 promovierte er in Karlsruhe und war ab Ende der 1950er Jahre als Betriebsleiter bei der Deutschen Gold- und Silberscheideanstalt (Degussa) tätig. Aufgrund ethischer Differenzen verließ er das Unternehmen – ein Schritt, der auch seine späteren künstlerischen Themen stark beeinflusste.
Bereits während seiner Industrielaufbahn begann Calvados sich der Kunst zu widmen, als eine Reaktion auf das Gefühl des „nicht vollständig Ausgefüllt seins“. Mit dem Bruch bei Degussa wird aus Dr. Ernst Boskamp der Berufsmaler Enzian, der sich wenig für die starren Strukturen traditioneller Galerie-Ausstellungen interessierte und es zu spontanen Kunst-Aktionen und unkonventionellen Happenings zog, die ihm Raum für Kreativität und Ausdruck ließen.
1968 führte es ihn auf Anregung und Einladung eines alten Schulfreundes erstmals auf die Nordseeinsel Föhr, wo er schließlich seinen zweiten Namenszusatz „Calvados“ erhielt. Der Anblick der Föhrer Marsch mit ihren faszinierenden Wolkenformationen und der weitläufigen Landschaft ließ den Künstler aus der Großstadt nicht unberührt. Im Jahr 1971 ließ er sich in Oldsum nieder, wo er in „Marys Haus“ sein Zuhause fand und von wo aus er ein halbes Jahrhundert lang die Kunstszene auf Föhr prägte.
In „Marys Haus“ schuf Enzian Calvados ein vielgestaltiges Œuvre aus expressionistischen Ölgemälden, feinfühligen Aquarellen und detailreichen Druckgrafiken. Besonders bekannt wurde er durch seine farbenprächtigen Blumenbilder – Sonnenblumen, blaue Lupinen und roter Mohn –, deren Rahmen er häufig selbst aus alten Holzbalken Föhrer Bauernhäuser fertigte.
Zentrum seines künstlerischen Schaffens war der von ihm gestaltete Bauerngarten rund um Marys Haus, der sich als zentrales Motiv durch viele seiner Werke zieht. Doch Calvados’ Kunst ist mehr als reine Naturbeobachtung: Calvados widmete sich auch philosophischen und politischen Fragestellungen, die sich in seinen Werken sowie künstlerischen Interventionen widerspiegeln. Auf seinen Reisen nach Indien, Südfrankreich und Tunesien fand er zusätzliche Impulse. Auch seine medizinisch-naturwissenschaftliche Herkunft blieb ein prägender Aspekt seines vielschichtigen Lebenswerks.
Die Ausstellung bietet einen umfassenden Einblick in alle Schaffensphasen des Künstlers und wird begleitet von einem umfangreichen Katalog in der Schriftenreihe des Museums.